Trauma & Atem
Werfen wir einen Blick auf die Ausgangslage mit einer kritisch zu hinterfragenden Hypothese: Wir Menschen leben in einer Welt, die…
Werfen wir einen Blick auf die Ausgangslage mit einer kritisch zu hinterfragenden Hypothese: Wir Menschen leben in einer Welt, die größtenteils fremdbestimmt ist —Tendenz steigend.
Dafür spricht unter anderem, dass wir von Geburt an mit dem Erbgut leben müssen, in das wir hinein geboren werden. Dazu gehört auch, dass die Situation, die sich uns präsentiert, erst einmal ist, wie sie ist. Weder Mutter noch Vater (zumindest die biologischen) lassen sich nach der Geburt noch ändern und selbst die Art und Weise, wie sie sich — oder auch man selbst sich ändert — zu einem hohen Maße genau dem entspricht, zu dem wir uns durch Schule, Beruf und Rollenverständnis — kurz der Konditionierung an die gesellschaftliche Norm — überhaupt entwickeln können. Dass dieser Trend durch ChatGPT und weitere „Künstliche Intelligenzen“, die uns dabei helfen innerhalb der bestehenden Norm für uns zu denken und die eigene Entscheidungsfindungskompetenz weiter abzugeben, nur deutlicher wird.
Warum führe ich das aus? Mir geht es darum aufzuzeigen, dass sich „der Mensch“ bei wachem Verstand in einer Blase befindet. Einer Vorstellung davon, was die Welt, was das Leben, was der Mensch, was man selbst ist — was „ich“ ist.
Diese Blase hat allerdings erschreckend wenig mit der Realität zu tun — und da sie sich dessen ebenso schmerzlich bewusst ist, wie sie sich herzlich ungern erschrickt — sie könnte ja platzen — setzt sie alles daran, dafür zu sorgen, dass es nie dazu kommt.
Diese Verhaltensweisen lassen sich am leichtesten bei anderen Menschen „im Außen“ beobachten und werden schnell als „Jammerlappen“, „Opfer“, „Angsthasen“, „Warmduscher“ und ähnliches erkannt.
Spricht „man“ dann eines dieser Opfer beim Namen an, stellt sich schnell heraus, dass es sich selbst gar nicht so sieht, oftmals mit einem Gegenangriff reagiert und sich so versucht, die eigene Stärke und Kraft zu beweisen.
Aus eigener Erfahrung aber wissen wir, dass das Opfer damit bloß seine Angst und Verletzlichkeit demonstriert, selbst es ist, der die Kontaktaufnahme zum verletzlichen Teil als Angriff versteht und nach seiner besten Möglichkeit damit umgeht.
Bringt uns aber nichts, wenn es doch eigentlich darum geht, das eigene Verhalten und sich selbst in diesem Text zu erkennen und für das Leben zu öffnen, was da außerhalb der eigenen Blase — im bislang unbekannten Raum existiert.
Sich selbst voll und ganz erlauben und ermöglichen — zu sein — die eigene Blase kennen und ausdehnen zu lernen und hier oder da auch mal ablegen zu können. Und — sind wir mal realistisch — womöglich auch noch einander dabei zu unterstützen, Räume und Systeme zu schaffen, in denen das ganz normal ist: wie das Atmen in der Kirche.
Dazu ein unkonkretes und somit übertragbares Beispiel:
Franz (der Name ist ausgedacht, in Wirklichkeit spreche ich von mir selbst) ist Mitte/Ende 30, alleinstehend, weltoffen & lebensfroh (nach eigenen Angaben). Steht so rein biologisch an einem (der vielen, großen und zahlreichen) Höhepunkte seines Lebens — und doch gibt es da ein Thema (Sex, Geld, Beziehung, Erfolg, Glück), was ihn schon immer irgendwie ein bisschen bedrückt, nervt, einengt…
Irgendein Thema (für dessen Begründung sich plausible Gedanken und Geschichten finden ließen), das dafür sorgt, dass obwohl Mensch sein Leben lang nach bestem Wissen und Gewissen lebt —an einem Punkt — ums Verrecken nicht weiterkommt (so die Denkweise am Rande der Blase).
Das geht wohl vielen so, sagt man sich dann schnell und versucht das eigene Schicksal zu relativieren, um die eigenen Handlungsmöglichkeiten und Notwendigkeiten diese auszuprobieren etwas zu reduzieren.
Die meisten Menschen sind mit ihrer Situation ja ohnehin und das zu Recht weitestgehend zufrieden, sonst würden sie ja einfach etwas ändern, wie Du und ich das selbstverständlicher Weise tun.
Und seien wir mal etwas ehrlich: Es gibt ja auch genug schöne Dinge (ich meine ganz bewusst nicht Netflix, Konsumgüter oder nackte Körper) auf die man seinen Fokus werfen kann. Und im schlimmsten Fall — genug bekannte Probleme, mit denen man sich so viel lieber herumschlägt, als die eigene Existenz (ich meine Blase) infrage zu stellen und sich über die Identifikation, wer man denn eigentlich ist, außerhalb des verbalen Verstandes & der selbstgeschaffenen Realität hinausbewegt.
Dazu noch ein paar abschließende Gedanken:
- Wie entsteht die Blase?
- Was passiert mit der Blase, falls ich sie einmal kurz verlasse?
- Ist es überhaupt möglich, ohne Blase zu überleben?
- Kann man sich seine Blase wirklich selbst aussuchen?
- Was hat die Blase mit der Angst zu sterben und Trauma zu tun?
- Wie lässt sich (zum Beispiel über die Arbeit mit dem Atem) auf sanfte Weise (traumasensitiv ist das Modehashtag der Stunde) damit arbeiten?
- Sind brutale Methoden (bzw. brutale Bewertungen) von Verhalten wirklich schädlich (auch wenn ich selbst der Meinung bin, dass sie mir guttun und ich das auch so erfahre?)
- Darf/Kann ich solche und ähnliche Fragen überhaupt für mich selbst entscheiden?
PS: Traumata an sich sind erstmal gar nichts Dramatisches, auch wenn sie sich zu einem Zeitpunkt im Leben einmal so angefühlt haben — und es vielleicht auch heute noch daran erinnern. Dramatisch ist das Verhalten an der eigenen Überzeugung festzuhalten, wir könnten daran nichts ändern.