Raus aus der Sicherheit. Raus ins Leben.
Seit zwei Wochen bin ich auf dem Rad unterwegs nach Berlin. Zwei Wochen, für die andere vielleicht 5 Tage brauchen. Die Fragen, die ich am…
Seit zwei Wochen bin ich auf dem Rad unterwegs nach Berlin. Zwei Wochen, für die andere vielleicht 5 Tage brauchen. Die Fragen, die ich am häufigsten höre drehen sich alle um das gleiche Thema:
Warum fährst du mit dem Rad durch Deutschland? Geht das nicht schneller und leichter?
Die spontane Antwort ist: Ja. Ich mache mir halt gern das Leben schwer.
Wenn ich aber etwas in mich hinein gehe hört es sich inzwischen ganz anders an: Ich lebe mein Leben.
Beide Antworten kommen aus mir heraus. Beide Antworten stimmen und beschreiben mich sehr treffend. Die Perspektive aber, mit der ich mich und so auch meine Welt wahrnehme ist eine völlig andere. Dieser Perspektivenwechsel ist das Ziel meiner Reise.
Raus aus alten Denkmustern
Bislang lebe ich ein Leben das aus Zwängen, Druck und Ängsten besteht. In einer Gesellschaft die bereits ihre Kinder anhand ihrer Leistung in gut und schlecht unterteilt, wundert mich dies nicht.
Nach einer Norm bewertet zu werden hatte eine einfache wie fatale Wirkung auf mich: Ich identifizierte mein Selbst durch Leistung. Glücklicherweise waren meine Leistungen meist schlecht und somit auch ich zum Scheitern verurteilt.
Erst nachdem mein Weltbild zerstört war, konnte ich auch die Perspektive auf mich selbst ändern. So krampfhaft hielt ich mich an den Denkmustern fest, die tief in meine Kindheit wurzeln. Inzwischen weiß ich: Veränderung ist jederzeit möglich. Alles was es braucht ist ein Perspektivenwechsel.
Perspektivenwechsel
Scheitern erlaubt es sehr einfach festzustellen, dass etwas nicht funktioniert. Da ich mir das Scheitern nicht erlaubte hat es knapp 30 Jahre gebraucht, bis ich lernte nicht meine Leistung zu sein.
Wie ärgerlich dies nicht schneller, früher, einfacher gelernt zu haben! Warum hat mir dies auch niemand beigebracht? Sollte ich statt ärgert nicht lieber glücklich sein, nicht erst mit 50 durch einen Herzinfarkt oder Burnout auf diese Idee zu kommen?!
Nein! Alles Quatsch. Da hatte ich wohl aus Gewohnheit wieder die alte Brille auf.
Sich selbst zu erleben ist einer der schönsten Bestandteile des Lebens. Scheitern ist nur ein wesentlicher Bestandteil davon. Zu genau dem Zeitpunkt an dem es eben passiert. So ist Veränderung sofort möglich und erlaubt es auch diese Erfahrungen zu teilen. Bei den ganzen Profisportlern ist das schon Alltag. Sie haben Psychologen die beibringen mit Gewinn und Verlust umzugehen.
Scheitern verboten!
Der Weg zum Psychologen ist mit einem gesellschaftlichen Stigma behaftet. Bestimmte Berufe dürfen — weil wir Hilfe in Anspruch nehmen wollen — nicht ausgeführt werden. Das eigene Scheitern zu verantworten ist eine Aufgabe, vor der wir in unserer Gesellschaft oft alleine stehen. Das interessante ist, das dies sowohl auf das:
- wahrgenommen Scheitern des Selbst als auch
- das Scheitern einer Aufgabe der wir uns angenommen haben zutrifft.
Warum ist das psychische Wohl des Menschen nicht Kernbestandteil der schulischen Ausbildung? Stattdessen grenzen wir diese fehlerhaften Menschen lieber aus.
Entschuldigung. Korrektur: wir Grenzen natürlich das Fehlverhalten aus. Der Mensch dahinter spielt erstmal keine Rolle.
So tragen wir alle dazu bei, das Fehlverhalten ein Tabu bleibt und eine gesellschaftliche Veränderung nur langsam oder durch Extremfälle möglich ist.
Hilfe annehmen
Kann sein, das dies nur auf mich so extrem zutrifft: ich kann Hilfe nur dann annehmen wenn dies ausreichend begründet ist. Eben dann, wenn ich mir und der Welt eingestehen muss, das meine Kraft nicht ausreicht ein Scheitern abzuwenden.
Die Schule dient auch beim Thema Hilfe wieder als perfektes Beispiel. Mir wurde beigebracht, dass ich besser als der Durchschnitt sein muss. Hilfe zu geben bringt also direkt einen Nachteil mit sich. Spätestens in der Klausur kämpft dann jeder für sein eigenes Wohl gegen den Durchschnitt.
Hilfe anzunehmen hingegen fällt mir noch viel schwieriger. Denn ich muss mich meiner Scham stellen. Selbst in der liebevollsten Familie, unter den besten Freunden, mit den engsten Kollegen oder den freundlichsten Fremden kostet es mich schier endlose Kraft der Scham zu stellen.
Deutlich wird dies im Arbeitsumfeld wo wir uns nur bedingt verstecken können und führt so gern zu Problemen. Nicht in der Lage zu sein seinen Job zu erfüllen. Vor den Mitarbeitern, dem Chef, sich selbst einzugestehen nicht genug Leistung zu bringen. Aus meiner Beobachtung geht das allen so und wir reagieren mit Überstunden, Selbstzweifel und Stress.
Zurück zu mir
Vom Thema der Fahrrad Tour habe ich mich inhaltlich leicht entfernt. Wie ich mich auch im normalen Leben durch Sozialisierung, Schule und Arbeitsleben deutlich von dem entfernt worauf es mir eigentlich ankommt: Mich selbst.
Seit gut 3 Monaten lerne ich neugierig und spielerisch auf mich selbst zu hören, scheitern zu dürfen und mich zu öffnen. Ganz natürliche Bestandteile des Lebens, die ich mir viel zu lange verweigert habe.
Verrückter Weise treffen diese Probleme auf eine viel zu breite Masse zu, in der jeder für sich gegen den Durchschnitt kämpft.
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Ich bin Philipp und ich freue mich sehr, dass du meinen Artikel gelesen hast. Wenn dir der Artikel gefallen hat, klick doch bitte auf das kleine Herz oder teile den Artikel mit deinen Freunden. Das macht mich glücklich und ermutigt mich mehr zu schreiben! Als Dankeschön lese ich gerne all deine Fragen, Kommentare und Rechtschreibkorrekturen ;) Du erreichst mich unter: philipp@017647034581.de